Katzen und Weihnachtssterne, auch Christsterne oder Adventssterne (Euphorbia pulcherrima) und andere Giftpflanzen

Unsere Katzen sind keine Freigänger, weshalb sie es nicht gewohnt sind, Pflanzen um sich herum zu haben. Daher wird leider gern alles angeknabbert, was in Reichweite ist.

Da ich um die Giftigkeit von Weihnachtssternen weiß, habe ich diese nur im Hausflur stehen – hier haben unsere Katzen keinen Zugang. Ich habe die Sterne jedoch zum Wässern in die Küchenspüle gestellt und hatte drei Minuten keine Aufsicht darüber, wer sich alles in der Küche aufhält. Auf dem Weg in die Küche kam mir Smilla ganz unschuldig und ahnungslos entgegen. Als ich wieder zurück in der Küche war, sah ich, dass die Weihnachtssterne angeknabbert waren. Ich konnte gut den austretenden weißen Milchsaft sehen. Sofort gingen bei mir alle Alarmglocken an!

Ich habe umgehend geschaut, die fehlenden Ecken ausfindig zu machen um einzuschätzen, welche Menge sie gegessen haben könnte. Ich hatte zuvor irgendwo gelesen, bei Vergiftungen ein Zeitfenster von maximal 2 Stunden zu haben um rechtzeitig zu intervenieren. Umgehend habe ich versucht heraus zu finden, wo sich der nächste Notdienst befindet, da es Samstag war. Die beiden Kliniken in unserer Nähe hatten auf ihren Seiten keine Angaben zu Notdiensten oder ähnliches, lediglich normale Öffnungszeiten während der Woche. Völlig entrüstet kam ich jetzt erst auf die Idee, unseren Tierarzt vor Ort anzurufen. Der Anrufbeantworter nannte mir eine Handynummer, unter welcher man bei Notfällen anrufen kann. Zu unserem großen Glück hatte unser Tierarzt vor Ort an diesem Wochenende Notdienst. Ich konnte ausführlich erklären was passiert war. Nachdem wir die Anweisung hatten, umgehend in die Praxis zu kommen, haben wir Smilla eingepackt und sind losgefahren. Der Tierarzt war natürlich schon vorbereitet und hat uns direkt in das Behandlungszimmer gelassen. Er wollte wissen, ob wir die Menge der Blätter, die Smilla gefressen hatte, in etwa angeben können.

Nun hieß es schnell handeln. Er klärte uns über die Möglichkeiten auf: Ein Brechmittel wie es für Hunde gibt (Apomorphin) funktioniert bei der Katze nicht. Eine Magenspiegelung mit gleichzeitiger Spülung unter Narkose hätte er in seiner Praxis nicht durchführen können. Dafür hätten wir in eine Tierklinik fahren müssen, welche von uns aus über eine Stunde Fahrtzeit entfernt ist. Übrigens haben die beiden Tierkliniken in unserer Nähe ihren Klinikstatus zwischenzeitlich aufgegeben, weshalb sie keinen Notdienst mehr anbieten. Dies wussten wir zu dem Zeitpunkt jedoch nicht.

Die nächste Option unsere Katze zum Erbrechen zu bringen, war das Mittel „Xylazin“. Es wird normalerweise als eine Komponente bei Injektionsnarkosen verwendet. Das Erbrechen ist eine Nebenwirkung bei der Katze, die man bei Vergiftungen ausnutzen kann. Da hier die Nebenwirkung gewünscht war und die Hauptwirkung nicht eintreten sollte, musste die Dosis sehr genau berechnet werden, was unser Tierarzt auch machte. Er hat am Rechner zweimal seine Berechnung überprüft, und das Antidot zur Sicherheit auch schon vorbereitet.

Nach der Injektion hieß es abwarten, dass die Katze erbricht. Natürlich wurde Smilla immer träger und müder. Sie sollte ja nicht einschlafen, sondern erbrechen! Dabei musste ihre Atmung stabil bleiben. Nach 4-6 Minuten – gefühlt unendlich lange – hat sie sich endlich übergeben und der Mageninhalt zeigte sich. Nun konnte endlich das Gegenmittel der Sedierung verabreicht werden, ein sogenanntes Antidot für die sedierende Wirkung des Xylazins: „Atipamezol“.
Der Tierarzt hat sich die Blätterteile (ca. ½ Blatt) aus dem Mageninhalt genauer angeschaut und war der Meinung, dass Smilla das mit ihren 1.570 Gramm womöglich nicht weggesteckt hätte. Ein eiskalter Schauer lief mir und meinem Mann über den Rücken!

Für die Nachbehandlung zu Hause hat er uns „Carbodote“ mitgegeben, ein Aktivkohlepräparat auf Basis pflanzlicher Kohle zur Absorption von Giftstoffen.
Damit die gereizte Magenschleimhaut sich beruhigen kann, gab es noch zusätzlich Vomisan, der spezielle Komplex der Inhaltsstoffe legt sich beruhigend auf die Magenschleimhaut und bietet Schutz vor Substanzen, welche die empfindliche Magenwand angreifen und reizen können. Das sollten wir ihr für 3-4 Tage 1x täglich unter das Futter mischen. Als akuter Magenschutz und damit eventuelle Reizungen der Schleimhaut abheilen können bekam sie zweimal 1mg Pantozol verschrieben. Das verhindert die Bildung von Magensäure.

Der weiße Saft der Wolfsmilchgewächse, zu denen Weihnachtssterne auch gehören, hat verschiedene Wirkungen auf den Organismus. Zum einen greift es die Schleimhäute (Speiseröhre, Magen-Darm) mit Reizungen, Entzündungen bis hin zu Verätzungen an. Zum anderen kann es noch zu langfristigen Folgeschäden kommen, wenn die Giftstoffe vom Magen/Darm resorbiert, bzw. aufgenommen werden. Hier kann es zu dauerhaften Leber- und/oder Nierenschäden kommen. Deshalb die Flüssige Kohle, welche die Gifte im Magen-Darmtrakt an sich bindet und eine Aufnahme im Organismus damit verhindert. Eine Nebenwirkung bei einer Kohletherapie ist eine Verstopfung, deshalb sollte sie nicht über den Bedarf hinaus angewendet werden.

Als wir wieder zu Hause waren, war Smilla noch sehr müde, sie hat ca. 3 Stunden geschlafen. Die Müdigkeit kam daher, weil die Wirkung des Antidots schneller nachlässt als die des Narkosemittels. Wir haben ihr Wasser neben ihren Schlafplatz gestellt. Mit dem Essen musste sie aber noch 8 Stunden warten.
In einem Notfall ist es sehr ratsam, die Notdienste in der Umgebung immer auf dem Schirm zu haben. Durch die Recherche und die Telefoniererei geht sehr wertvolle Zeit verloren.

Und leider haben viele Praxen den Klinikstatus aufgegeben, was zu einer deutlich geringeren Dichte an 24/7 Praxen führt. Weite Wege sind die Folge.

Im Hinblick auf die bevorstehenden Frühlingsblumen wollten wir Euch diese Erfahrung nicht vorenthalten. Eigentlich sind alle leuchtend blühenden Schnittblumen mehr oder weniger giftig. Besonders aufgepasst werden muss bei Maiglöckchen, allen Lilien, allen Veilchen…